Freiheit

Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.

Jean Jacques Rousseau

Was ist Freiheit?

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Wert Freiheit so breit diskutiert werden kann wie kein anderer, weil er auf alle Situationen im Leben angewendet werden kann. In der Philosophie unterscheidet man zwischen „positiver Freiheit“ (Freiheit zu) und „negativer Freiheit“ (Freiheit von). Oft wird in der öffentlichen Debatte nur von negativer Freiheit gesprochen. An einem Beispiel erklärt: Wenn Konservative von „Wahlfreiheit“ bei der Art der Kinderbetreuung reden, so meinen sie damit, dass es gerade mal die theoretische Möglichkeit gibt, dass sich Eltern entscheiden, ob sie beide berufstätig sind oder nicht. Es gibt kein Gesetz oder keine direkte Einwirkung des Staates, die das verhindern könnten. Ob die Eltern doch tatsächlich die Freiheit zu dieser Entscheidung haben, steht auf einem anderen Blatt: Wenn der Kindergarten nur halbtags geöffnet ist, können nicht beide Elternteile arbeiten gehen. Sie hätten also theoretisch die Freiheit, beide berufstätig zu sein, weil sie niemand dazu zwingt, zuhause zu bleiben. Dass es die Rahmenbedingungen für eine wirklich freie Entscheidung nicht gibt, ist ein Mangel an Freiheit, der dabei übersehen wird.

Diese Unterscheidung kann man in fast allen Bereichen anwenden: Natürlich kann sich jeder Mensch frei entscheiden, welchem Beruf er*sie nachgehen will. Wenn er*sie jedoch schlecht bezahlt ist, kann es sein, dass dies nicht einmal zum Leben reicht. Natürlich haben alle Kinder theoretisch das Recht auf Bildung, wenn man jedoch das Pech hatte, vor Krieg und Verfolgung flüchten zu müssen, ist man im neuen Heimatland leider nur zu Gast und hat keinen Rechtsanspruch auf eine Schulausbildung. Oder, wenn man nicht das Glück hat in einem Elternhaus geboren zu sein, das einen von Anfang fördert und inspiriert, weil es den Eltern an finanziellen Ressourcen und Bildungsbewusstsein fehlt, dann wird es eher nichts mit der Wahl seines eigenen Bildungsweges. All diese Beispiele laufen auf einen Punkt hinaus: Freiheit bedeutet nicht nur, Menschen nicht aktiv an etwas zu hindern. Freiheit bedeutet auch, strukturelle Barrieren abzubauen und sie zu ermächtigen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre eigenen Wege zu beschreiten. Denn nur durch den Abbau struktureller Barrieren ist individuelle Freiheit für den*die Einzelne*n möglich, jede theoretisch noch so freie Gesellschaft ist das auch in der Praxis, wenn sie auf mutige, couragierte und kritische Menschen bauen kann und nicht auf „Schafe“, die artig und geduldig auf ihre Befreiung durch Gott, Kaiser oder Tribun warten.

Wie ist eine Welt der Freiheit?

Wir Kinderfreunde treten für eine Welt ein, in der…

…die Menschen selbst bestimmen, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Um den wirtschaftlichen Druck zu mindern, der momentan diese Entscheidungen bestimmt, braucht es eine ausreichende finanzielle Absicherung aller Menschen unabhängig von deren Arbeitssituation und mehr frei verfügbare Zeit durch Arbeitszeitverkürzung und damit die Umverteilung von Arbeit.

…Kinder ihre eigenen Talente entdecken und verfolgen können, statt schon in frühen Jahren in wirtschaftstaugliche Form gepresst zu werden. Bildung kann befreien – jedoch nur dann, wenn sie rund um das Kind und seine Bedürfnisse organisiert und gedacht wird. Dazu ist eine völlig neue Schule für alle Kinder notwendig, in der im Rahmen eines modularen Systems je nach individuellen Stärken und Schwächen der Kinder selbstgesteuert gelernt wird.

…Menschen dort leben können, wo sie wollen. Vor allem auch dann, wenn in ihrer Heimat ein menschenwürdiges Leben aus wirtschaftlichen, politischen oder anderen Gründen nicht möglich ist.

…Kinderrechte nicht nur theoretisch existieren, sondern auch der Zugang zu allen Rechten für alle Kinder auf der Welt möglich ist. Keinem Kind hilft ein theoretisches Recht auf Bildung, wenn eine Vielzahl an strukturellen Barrieren und Diskriminierungen den Zugang in der Praxis verhindern.

…Kinder Freiräume haben können, die sie komplett selbst gestalten und entdecken dürfen. Das gilt sowohl zeitlich als auch räumlich.

…es keine Unterdrückung durch politische oder wirtschaftliche Machthaber*innen gibt. Freiheit ist die Kombination aus Emanzipation, Kritikfähigkeit und einer Gesellschaft, die keine Herren braucht und keine Knechte.

… Kinder lernen, die Freiheit anderer Menschen zu respektieren und dafür eintreten, dass allen Menschen größtmögliche Freiheit ermöglicht wird.

Wie ist die Welt in der wir leben?

In der Welt des Neoliberalismus wird der Freiheitsbegriff oft auf eine missbräuchliche Art und Weise verwendet. Während auf den Finanzmärkten seit Ende der 80er-Jahre immer freier agiert werden kann und keinerlei Rücksicht mehr auf die reellen Auswirkungen der Geldmaschinerie auf echte Menschen genommen werden muss, werden Menschen durch eben diese Entwicklung immer unfreier. Arbeitslosenzahlen von über 30 Prozent wie in Spanien 2014 und Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent wie in Griechenland 2014 sind Ausdruck einer grundlegenden Problematik. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird der Druck auf die einzelnen Menschen oft so groß, dass es spürbar ist. Unterschwelligen Druck gibt es jedoch fast immer. Und er wirkt bis in die Kinderzimmer: Zukunftsängste spielen laut diversen Jugendstudien eine immer größere Rolle für Kinder und Jugendliche. Es ist kein Zufall, dass sich die Gruppe der 16-29-Jährigen immer größere Sorgen um ihre Pension macht.[1] Der wachsende wirtschaftliche Druck ist die Konstante in der Einschränkung von Freiheit in der westlichen Welt. Doch gerade in Fragen der Freiheit ist eine globale Perspektive wichtig. Global gesehen ist der Freiheitsgrad für Kinder und Jugendliche eine regelrechte Katastrophe: Weltweit müssen knapp 17% aller Kinder arbeiten, davon ist ein Drittel in „gefährlicher“ Arbeit, das bedeutet, dass sie körperliche Schäden aus ihrer Arbeitstätigkeit davontragen.[2] In absoluten Zahlen sind das rund 85 Millionen Kinder. 250.000 Kinder weltweit werden als Soldaten eingesetzt,[3] täglich sterben Kinder in Konflikten rund um den Erdball. Diese Kinder und ihre Familien können von Freiheit nur träumen. Es muss unser Ziel als Organisation sein, die Rechte der Kinder weltweit gemeinsam mit unseren Partner/innen umzusetzen und allen Kindern ein gewisses Mindestmaß an Freiheit bieten zu können.

Wir verändern die Welt!

Der wirtschaftliche Druck, der die Freiheit in Österreich und anderen Ländern immer kleiner werden lässt, können wir als Organisation von zwei Seiten bekämpfen. Zum einen muss es unser Ziel sein, die Lebensbedingungen von allen Menschen real zu verbessern. Wir müssen uns auf politischer Ebene dafür einsetzen, dass Armut bekämpft wird, die richtigen Maßnahmen im Sozialsystem gesetzt werden und die absolute Rücksichtslosigkeit des Wirtschaftssystems eingeschränkt wird. Auf der anderen Seite ist es dringend notwendig, ein Umdenken in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen zu bewirken. Freiheit bedeutet in erster Linie, seine eigenen Wege gehen zu können. Kinder werden als freie Wesen geboren, die neugierig sind, verschiedenste Dinge auszuprobieren, Interesse an vielen Themen zeigen und unbeschwert die Welt erkunden wollen. Vielen wird dies jedoch durch den Schulbesuch ausgetrieben weil dieser mit dem individuellen Forschungsdrang der Kinder nicht in die industrialisierten Abläufe unseres Schulsystems passen.

Wir Kinderfreunde wollen die Gegenbewegung dazu sein: Wir schaffen Räume, in denen sich Kinder entfalten können, in denen sie mitbestimmen können, was auf dem Programm steht und in dem ihre Meinung und ihre Interessen etwas wert sind. Die Kinderfreunde-Aktivitäten können ein Raum sein, in dem sich Kinder gemeinsam mit anderen Kindern erproben und die Grenzen ihrer Freiheit entdecken können. Auch in unserer Gesellschaft ist es für viele Kinder nicht selbstverständlich frei zu sein. Wir als Kinderfreunde treten gegen die Überregulierung von Kinderleben ein und wollen selbst freie Spiel- und Abenteuerräume ermöglichen. In diesen muss es Kindern auch möglich sein, auf Bäume zu klettern und im Matsch zu spielen. Abenteuer erleben und Grenzen austesten, das ist in einem sterilen und fallsicheren Raum nicht möglich. Entgegen dem Trend der Komplettverplanung von Kindern bieten wir zeitlich entschleunigte und konsumfreie Blöcke an, in denen sich Kinder ihre Schwerpunkte selbst setzen und ihre Zeit frei einteilen können.  Sich Freiheiten nehmen zu können, ist ein Privileg, das vielen Kindern auf dieser Welt gar nicht zu Teil wird. Wir wollen Kindern zeigen, wie wertvoll dieses Gut ist und ihnen gleichzeitig ein Bewusstsein dafür vermitteln, dass zu absoluter Freiheit auch gehört, dass sie nicht nur für einige wenige gilt, sondern für alle Menschen auf der Welt. Und dass eine solche Welt der Freiheit nicht von alleine kommt, sondern von uns allen erkämpft werden muss. Das muss sie uns wert sein.

Quellenangabe

[1] http://derstandard.at/1310512283206/Jugendstudie-2011-Stimmung-unter-Jugendlichen-Wenig-Optimismus-dafuer-viel-Angst

[2] http://www.tdh.de/was-wir-tun/arbeitsfelder/kinderarbeit/daten-und-fakten.html

[3] http://www.tdh.de/de/was-wir-tun/themen-a-z/kindersoldaten.html