Kinderfreunde schlagen Alarm

Uns Kinderfreunden ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen, DIE Hilfe erhalten, die sie für ein gesundes Aufwachsen benötigen. Spricht man mit Kinderärzten, Psychologen und Therapeuten ist das aktuell nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, die Angebote werden immer weniger, die Hürden für Familien, die aktiv Hilfe suchen, immer größer.

Roland Schwandner, Vorsitzender der Kinderfreunde OÖ

Hohe psychische Belastung für Kinder und Jugendliche und zu wenig therapeutisches Angebot

Presseaussendung 24.10.

Unsere Kinder und Jugendlichen wachsen in einer Zeit mit multiplen Krisen auf. Die Pandemie-Auswirkungen wurden bis heute noch nicht aufgearbeitet. Gleichzeitig wächst der Leistungsdruck in der Schule und die Nachrichten berichten jeden Tag von einem Krieg in Europa. Kinder und Jugendliche stehen vor enormen Belastungen, die ein gesundes Aufwachsen immer mehr erschweren. Das belegen auch die aktuellen Zahlen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die kleinen Patient:innen werden immer mehr, immer jünger und ihre Sorgen immer größer. Dem gegenüber steht ein viel zu geringes Angebot an psychosozialen Unterstützungsmöglichkeiten und Therapieplätzen.


„Uns Kinderfreunden ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen, DIE Hilfe erhalten, die sie für ein gesundes Aufwachsen benötigen. Spricht man mit Kinderärzten, Psychologen und Therapeuten ist das aktuell nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, die Angebote werden immer weniger, die Hürden für Familien, die aktiv Hilfe suchen, immer größer“, sagt Roland Schwandner, Vorsitzender der Kinderfreunde OÖ

 

Akuter Kinderärzte-Mangel in Linz

Im Zentralraum Linz wird es mittlerweile eine Herausforderung, eine/n Kinderarzt/ärztin zu finden. Kinderärzte dienen aber für Familien als erster Ansprechpartner und Vertrauensperson. „Familien dürfen sich mit ihren alltäglichen Sorgen um ihre Kinder nicht im Stich gelassen fühlen“, so Schwandner und weiter: „Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Gesundheit und ein gesundes Aufwachsen. Wir sehen es als unsere zentrale Aufgabe, insbesondere in Krisenzeiten, die Kinderrechte zu stärken.“

 

Zur aktuellen Situation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Dr.in Doris Koubek ist Kinder- und Jugendpsychiaterin in Linz und berichtet von der hohen Nachfrage in ihrer Praxis. „Es fehlt an fast allen kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen an Betten und auch an Fachärzt:innen. Das führt dazu, dass es bei einigen Patient:innen zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommt, schlicht deswegen, weil es keine Möglichkeit gibt, sie dem Zustandsbild entsprechend zu behandeln“, warnt Dr.in Doris Koubek und weiter: „In der kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis zeigte sich mitunter auch schon vor der Corona-Pandemie das Elend der Kinder/Jugendlichen, die mit mehreren Belastungsfaktoren leben müssen. Genau diese Kinder und Jugendlichen sind es, die auch unter den aktuellen Krisen nun noch mehr leiden und die Großteils in der medialen Diskussion keine Stimme bekommen. Dabei ist hinlänglich und aus mehreren Studien bekannt, dass Menschen mit frühen und schwerwiegenden psychosozialen Belastungen später deutlich häufiger langfristige Nutzer:innen öffentlicher Ressourcen sind, deutlich häufiger chronisch krank werden und deutlich weniger gut in den Arbeitsmarkt integriert werden,“ so Koubek.


Aktuell beschäftigt die Kinder- und Jugendpsychiaterin Fälle von gravierenden Essstörungen, Angstzuständen, soziale Ängste, ADHS und posttraumatische Belastungsstörungen.

 

Mentale Gesundheit Jugendlicher in Krisenzeiten

Anna Marie Wüster besucht zurzeit die 10. Schulstufe, die 6. Klasse im BG/BRG Gmunden. Sie wohnt mit ihrer Mama und kleineren Schwester in Altmünster. Sie weiß am besten Bescheid, was die aktuelle Zeit mit Jugendlichen macht: schulischer Druck durch Lehrpersonal, Versagensängste, Angst eine geliebte Person zu enttäuschen, da man plötzlich nicht mehr dieselbe Leistung erbringt, wie vor kurzer Zeit.
„Ich kenne viele Jugendliche, welche in der Coronazeit mit ihrer mentalen Gesundheit zu kämpfen gehabt haben. Manche haben davor schon Probleme gehabt. Doch mein eigentlicher Punkt ist, darüber zu berichten, was uns Jugendliche in dieser Zeit so kaputt gemacht hat und es immer noch tut“, sagt Anna Marie Wüster.


Anna Marie Wüster berichtet aus ihrer Klasse, dass einige Schüler:innen gar nicht mehr regelmäßig am Unterricht teilnehmen und „niemand fragt nach ihnen“. Einige Schüler:innen kämpfen mit starkem Leistungsdruck und schreiben negative Noten in Fächern, die ihnen früher noch Spaß gemacht haben. Sie berichtet aber auch von einem zusätzlichen Druck von zuhause und mit welchen Sprüchen die Jugendlichen konfrontiert werden: „Warum strengst du dich nicht einmal an?“, „Ich bin enttäuscht von dir“.
 

Auch die Homeschooling Phase war für die Jugendlichen intensiv: „Schlafen, Schule, Schlafen – so sahen fünf Tage der Woche aus“, weiß Wüster. „Ich hatte weder Motivation noch Kraft für irgendwelche außerschulischen Aktivitäten, an meine Freunde hatte ich da schon gar nicht gedacht. Ich werde auf meine Jugend zurückblicken und ein Großteil aus meiner Erinnerung wird aus dieser furchtbaren Zeit bestehen.“

Hört uns endlich zu!

„Viele junge Menschen leiden unter Mentalen Krankheiten und/oder Essstörungen. Dies war schon vor der Pandemie der Fall, doch vor allem, während der letzten Jahre, haben die Fälle solcher Krankheiten, deutlich zugenommen, genauso wie die Suizidrate. Viele betroffene Personen trauen sich nicht in Therapie zu gehen, einerseits wieder mal aus der Angst die eigene Familie zu enttäuschen. Denn leider sind manche Denkweisen noch sehr veraltet, und können schmerzhaft sein, wenn man zu hören bekommt, dass man „doch spinne“ und „ob man jetzt durchdreht, denn es ist doch alles in Ordnung. Wir wollen verstanden werden, ohne uns danach Vorwürfe anhören zu müssen, oder es danach bereut zu haben, jemals den Mund aufgemacht, und über unser Problem geredet zu haben“, so Anna Marie Wüster und weiter: „Abschließend möchte ich noch sagen, bitte wendet euch an Jugendliche, wenn ihr merkt, dass es uns nicht gut geht. Geht auf uns zu und zeigt aufrichtiges Interesse daran, uns zuzuhören. Wir sind die vergessene Generation. Also wer wärt ihr, wenn ihr uns ein weiters mal nicht hört? Ihr wollt, dass es uns gut geht, und, dass wir anfangen zu reden? Dann hört uns endlich zu!“

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