Wie erkläre ich meinem Kind den Krieg in der Ukraine?

Veröffentlicht am: 04.03.2022

Nach dem Einmarsch russischer Truppen in das Nachbarland Ukraine sind viele Menschen verängstigt oder verunsichert. Die unangenehmen Gefühle und Ängste, die durch ein solches Ereignis in den meisten Menschen aufkommen, sitzen sehr tief und sind nicht leicht zu bewältigen. Vor allem Kinder und junge Menschen benötigen in der Auseinandersetzung damit unbedingt Hilfe. Wir fragten Mag.ª Leila Amir Ahmadi-Rinnerhofer MA, Erziehungsberaterin bei den Wiener Kinderfreunden, wie Eltern ihren Kindern – aber auch sich selbst – bei der Bewältigung dieser Ausnahmesituation helfen können.

Wie verhalte ich mich am besten meinem Kind gegenüber?

Für Kinder ist eine ruhige, wenig aufgeregte Haltung ihrer Eltern in so einer Situation hilfreich. Damit Kinder keine bedrohlichen Fantasien und Ängste entwickeln, wenn sie etwas von den Nachrichten, aus Gesprächen oder im Spiel mit Freunden aufschnappen, ist es von Bedeutung, die Kinder altersentsprechend und in kindlicher Sprache aufzuklären. Wichtig ist es, bei der Schilderung der Ereignisse weder zu übertreiben noch zu bagatellisieren. Kinder können gut mit der Wahrheit umgehen, wenn sie einfühlsam vermittelt wird. Sie sehen das viel pragmatischer als wir Erwachsene.  Bei Ängsten oder Sorgen der Kinder signalisieren Sie Offenheit und Interesse, bieten Sie Gespräche an, zeigen Sie, dass Sie da sind und beruhigen Sie Ihre Kinder u.a. auch durch Körpernähe.

Welche Informationen braucht mein Kind?

Was ist passiert?

Die Soldaten eines Landes sind in ihr Nachbarland einmarschiert um es zu erobern und die Soldaten beider Länder schießen aufeinander. Alte Menschen, Frauen und die Kinder verlassen die umkämpften Städte. Sie verstecken sich auf dem Land oder versuchen in sichere Länder zu fliehen. Dort hilft man ihnen und sie sind in Sicherheit.

Die Menschen sprechen jetzt von Krieg. Was bedeutet das?

In einem Krieg versucht ein Land ein anderes mit Waffen zu erobern und ihm seinen Willen aufzuzwingen. Das überfallene Land wehrt sich mit seinen Soldaten. Es wird geschossen und viele Häuser werden zerstört. Viele Menschen versuchen zu fliehen. Sie müssen Dinge die ihnen gehören zurücklassen.  Auch Menschen die nicht kämpfen wollen, werden manchmal verletzt und getötet.

Was wird dagegen getan?

Ein solcher Krieg ist verboten und alle Länder der Welt wollen dies verhindern. Die Politiker*innen vieler Länder bemühen sich, dass die Kämpfe bald enden und die Soldaten in ihre Kasernen zurückkehren, damit alle wieder sicher sind.

Sind wir in Gefahr?

Nein! Es besteht keine unmittelbare Gefahr. Auch wenn die beiden Länder im Moment sehr wütend aufeinander sind, dann bemühen sie sich trotzdem, den Krieg einzugrenzen, weil sie wissen, dass sie eines Tages wieder Frieden schließen werden. Viele Menschen mussten nun allerdings ihre Häuser verlassen. Vielleicht können wir ihnen helfen. Das Land Österreich wird Menschen aufnehmen.

Wie kann ich meinem Kind im Umgang mit seinen Gefühlen helfen?

Kinder verarbeiten Ängste und Sorgen auf unterschiedliche Weise. Vielleicht zeigen sie weinerliches, anklammerndes oder wütendes Verhalten. Gemeinsame Aktivitäten, wie Gespräche, Spielen, Malen und Bilderbücher anschauen können zu einem Zugang zu den unterschiedlichen Gefühlen der kindlichen Welt verhelfen. So werden diese besser besprechbar und verstehbar.

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihr Kind in nächster Zeit eventuell den Krieg im Spiel aufgreift, indem es Soldaten und Panzer spielt und so tut als ob es Menschen verletzen will. Kinder verarbeiten im Spiel u.a. die gemachten Erfahrungen, Erlebnisse, Sorgen, Stimmungen, Ängste, Emotionen, Nicht-Einordenbares, Fantasien und vieles mehr. Ein solches vom Kind initiiertes Spiel kann Ihrem Kind helfen, das Geschehene zu verarbeiten.

Genauso kann es vorkommen, dass Ihr Kind von dem Krieg erzählt, eine Frage stellt und dann wieder ganz unaufgeregt weiterspielt oder sich anderen Dingen zuwendet. Auch das ist ganz normal.

Wenn Ihr Kind sich Sorgen macht, unsicher oder ängstlich ist, ist es wichtig, dass Sie Ihrem Kind das Vertrauen vermitteln, dass es beschützt wird – einerseits von Ihnen aber auch von unserem Land Österreich und von ganz Europa, dass alles getan wird, damit der Krieg bald endet.

Auf was muss ich jetzt besonders achten?

Für Kinder, wie auch für uns Erwachsene ist es hilfreich, wenn wir erleben, dass die Welt noch genauso funktioniert wie zuvor. Es ist wichtig den Alltag gut zu strukturieren, die Dinge so zu machen, wie sonst auch.  Schmieden Sie gemeinsame Pläne, planen Sie Dinge auf die man sich freuen kann. Ausflüge, Spiele- oder Bastelnachmittage oder einem gemütlicher Filmabend daheim, können jetzt auch helfen. Das gibt uns und den Kindern Sicherheit.

Für die Kinder ist es auch wichtig, den Kindergarten und die Schule zu besuchen. Beide sind für die Kinder sichere Orte an denen alles genauso stattfindet wie zuvor. Der bekannte Tagesablauf, die vertrauten Pädagog*innen, die Freund*innen zum Spielen usw.

Achten Sie darauf neben den Kindern keine Nachrichten zu sehen. Die Bilder und Berichte in den Medien sind für Kinder sehr stark verängstigend und verstörend. Auch für ältere Kinder sind die ungefilterten Bilder und Meldungen erschreckend.

Ihr Kind sieht und spürt wie es Ihnen geht. Kinder machen sich automatisch Gedanken und Sorgen darüber, was mit ihren Eltern los sein könnte. Auch hier können Sie die Angst kleiner machen in dem Sie Ihrem Kind mitteilen, dass sie z.B. traurig sind, dass Menschen verletzt werden oder total wütend darüber sind, dass Menschen so ein Verbrechen begehen können. Auch Eltern sollen über ihre Gefühle reden können, ohne ihre Kinder zu verängstigen.

Was kann ich tun, wenn ich mich überfordert fühle oder den Eindruck habe, dass mein Kind zusätzliche Unterstützung braucht?

Sich nach solch ängstigenden Ereignissen überfordert zu fühlen, ist vollkommen normal. Besonders, da wir alle aufgrund der Pandemie und deren Auswirkungen schon vor dem Krieg stark belastet waren und weiter stark gefordert sind.

Zögern Sie darum nicht, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Sie können sich jederzeit mit Sorgen, Fragen, Unsicherheiten und Ängsten – auch anonym - an folgende Beratungsstellen wenden:

  • Psychologischer Dienst und Telefonseelsorge (24h-Hotline): 142
  • Notfallpsychologischer Dienst Österreich (24h-Hotline): 0699 188 554 00
  • Psychiatrische Soforthilfe für Wien (24h-Hotline): 01 31330
  • Corona Hotline (aktuell auch mit dem Thema Krieg befasst, 8-20 Uhr): 01 4000 53000
  • Caritas Plaudernetz (12-20 Uhr): 05 1776 100
  •  Kriseninterventionszentrum (Montag-Freitag  10-17 Uhr): 01 / 406 95 95

Für Kinder, Jugendliche und Eltern:

  • Rat auf Draht: 147 (24h-Hotline):
  • Servicetelefon der Kinder- und Jugendhilfe: 01 4000 8011
  • Die Möwe- Kinderschutzzentrum: 01 532 1414
  • Die Familienberatungsstellen der Wiener Kinderfreunde: 01 401 25 200 71
  • www.wien.kinderfreunde.at/Familienberatung

Erklär-Video für Kinder

Buchtipps:

Weiterführende Links und Veranstaltungen zum Thema unter: kinderfreunde.at/frieden